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Gaming Mind: Wie mentale Gesundheit und E-Sport zusammenhängen

Mentale Gesundheit und Leistung. Zwei unterschiedliche Begriffe, eng miteinander verknüpft. Im traditionellen Sport, insbesondere wenn es um Erfolg und Misserfolg geht, sind Begriffe wie „Leistungsdruck“, „Chocking“ oder Resilienz keine Neuheiten. Aber wie genau sieht das im E‑Sport aus?

Exkurs „mentale Gesundheit“

Mentale Gesundheit wird dem mentalen Wohlbefinden untergeordnet. Eine gute mentale Gesundheit ermöglicht uns in erster Linie die alltäglichen Belastungen zu bewältigen und dabei das eigene Potential zu erkennen und zu nutzen. Es ist ein Zustand, der unsere eigenen, persönlichen Fähigkeiten untermauert. Zudem beeinflusst er, wie wir uns im Kollektiv mit anderen Menschen verhalten. Er versetzt uns in die Lage, Entscheidungen zu treffen, Beziehungen aufzubauen und die Welt, in der wir leben, zu gestalten.1 Mentale Gesundheit wird von jedem Menschen unterschiedlich erlebt und reagiert wie andere dynamische Systeme auf innere und äußere Veränderungen. Faktoren, die hinter den Veränderungen stecken, werden auch Determinanten genannt.
Diese sind:

– individueller (z.B. neurologische Einschränkung aufgrund genetischer Disposition),
– struktureller (z.B. in welchem Gefüge befindet man sich),
– sozialer (z.B. Einfluss durch das familiäre Umfeld),
– wirtschaftlicher (z.B. finanzieller Status),
– geopolitischer (z.B. lebe ich in einem Kriegsgebiet) und
– umweltbedingter Natur (z.B. werde ich von Naturkatastrophen bedroht)

Je nach Auslegung, lösen diese Faktoren unterschiedliche Reaktionen in uns aus. So können soziale Anerkennung oder auch wirtschaftliche Absicherung, wie sie im Gaming durch die Unterstützung und Förderung durch Sponsoren und Preisgelder stattfinden, die eigene Selbstakzeptanz stärken und eine mentale Gesundheit begünstigen. Gleichzeitig können sie aber auch Leistungs- und Erwartungsdruck erhöhen. Bestimmend für Erleben und Verhalten sind sie für die mentale Gesundheit richtungsweisend.

Gaming und mentale Gesundheit

‘Creating A world where everybody can be somebody’, so die Headline der Electronic Sports League (ESL). Schätzungsweise verfolgen 380 Millionen Menschen mindestens gelegentlich E‑Sport Spiele. Viele Spieler*innen starten früh ins Gaming, meist im Kinder- und Jugendalter. Gespielt wird im Elternhaus, in geschützte Atmosphäre. Dann geht es weiter vom „Kinderzimmer, rauf auf die großen Bühnen.“ Es kommt nicht selten vor, dass Spieler*innen sich mit der Publicity, dem Druck und der Verantwortung überfordert fühlen. Im schlimmsten Fall geraten Spieler*innen dann aus dem Gleichgewicht. Die mentale Gesundheit verschlechtert sich, im Worst-Case Szenario kommt es zu einem Burnout. Fazit sind ein frühzeitiges Karriereende oder ein Ausfall über mehrere Monate. Letzteres erlebten Lukas “gla1ve” Rossander und Andreas “Xyp9x” Højsleth, Spieler des erfolgreichsten Counter-Strike-Team Astralis im Jahr 2020.2

Positive Einflussfaktoren auf die mentale Gesundheit

Als wichtigster Einflussfaktor ist hier die Resilienz zu nennen. Laut des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung ist dies die Fähigkeit zur „Aufrechterhaltung oder rasche[n] Wiederherstellung der psychischen Gesundheit während oder nach schwierigen Lebensphasen“.3 Es geht somit weniger darum, das eigene Umfeld zu verändern, sondern den eigenen Umgang mit Stress zu lernen. Denn die innere Widerstandsfähigkeit ist trainierbar.
Hier ein paar Tipps, wie dies gelingt:

Tipp 1: Keep talking

Mentale Gesundheit ist wichtig und sollte nicht als selbstverständlich angenommen werden. Wer merkt, dass die mentale Gesundheit kippt, sollte handeln. Erste Anzeichen können das Gefühl von Überforderungen, Konzentrations- und Leistungseinbußen, aber auch körperliche Auswirkungen wie Schlafstörungen und ein erhöhter Ruhepuls sein. Soziale Kontakte oder das Sprechen mit vertrauten Personen baut nicht nur mehr Resilienz auf, es hilft auch, dieses wichtige Thema in Zukunft zu enttabuisieren.

Tipp 2: Keeping perspective

E-Sportler*in als Hauptberuf. Für viele ein wahr gewordener Traum. Kein Grund, nicht an die Zukunft und an die Zeit nach der E-Sport Karriere zu denken. Insofern bessere Voraussetzungen für einen neuen beruflichen Weg geschaffen werden, desto entspannter lässt sich auch mit Misserfolgen umgehen. Auch wenn in diesem Moment die eigenen Erwartungen nicht erfüllt wurden, muss zumindest die eigene Existenz und die finanzielle Absicherung nicht gefürchtet werden.

Tipp 3: Keep balanced

„Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“, das sagte schon der römische Dichter Juvenal. Es sollte recht behalten. Nur wer gut für sich sorgt, sich gut ernährt, ausreichend erholsam schläft, Sport treibt und im Gleichgewicht bleibt, bleibt auch mental stark. Diese Balance zu halten, bedeutet aber auch, ein gewisses Maß an Selbsteinschätzung. Spieler*innen, die einen hohen Bedarf nach Balance und Ausgleich haben, sollten sich keinesfalls an anderen Teammitgliedern orientieren. Es gilt selbst herauszufinden, wie stark ausgeprägt die eigene Resilienz ist.

Negative Einflussfaktoren auf die mentale Gesundheit

Neben den vielen Vorteilen, die der E-Sport bietet, existieren leider auch zahlreiche Faktoren, die die mentale Gesundheit der Spieler*innen negativ beeinflussen. Wie im E-Sport-Podcast „unmuted“ behandelt, sind entscheidende Stressoren hier vor allem Kritik und Stress innerhalb des Teams und die hohen Erwartungen an sich selbst.3 Hohe Erwartungen an sich selbst und die Bereitschaft, alles dem Erfolg unterzuordnen. Das zeigt auch das Beispiel von Martin „Rekkles“ Larsson, schwedischer League of Legends Spieler. Am Anfang seiner Karriere spielte er aus genau diesem Grund täglich 16 Stunden.5

Doch das ist nur die Spitze des Eisberges. Wie im Oktober 2021 auf esports.com veröffentlicht, wurde der Fall zweier Rocket-League-Profis publik, welche rassistische und homophobe Äußerungen gegenüber einem Mitspieler tätigten. Das Beweismaterial lieferte der Betroffene und Rocket-League-Profi Eli selbst.6 Neben der Diskriminierung durch Mitspieler existieren auch Berichte über skandalöses Verhalten wichtiger Entscheidungsträger wie Mehrheitsanteilseigner von TSM, Andy Dinh. Gegenüber Profispielern und TSM-Mitarbeitern zeigte er herabsetzendes und schikanöses Verhalten.7

Neben den oben genannten sozialen Einflüssen spielen auch gesundheitliche Faktoren eine entscheidende Rolle. Wie bereits erwähnt, sind Ernährung, Sport und Schlaf Hauptakteure bei der körperlichen sowie mentalen Gesundheit. Wird dem Ganzen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt oder sie gar vernachlässigt, ist die Gesundheit gefährdet. Hier macht es Sinn, sich Unterstützung in Form von Trainer*innen, Ernährungsberater*innen, Physiotherapeut*innen etc. zu holen, um eine individuelle und bedarfsgerechte Beratung er erhalten.

Aktuelle Forschung

Das Team um esportwissen.de arbeitet regelmäßig intensiv in Großprojekten mit der AOK Rheinland/Hamburg zusammen, um gemeinsam mehr Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit zu erreichen und neue Gesundheitsstandards und Präventivmaßnahmen im E-Sport auf den Weg zu bringen. Am 31.01.2023 wurden an der Deutschen Sporthochschule Köln die neusten Forschungsergebnisse vorgestellt. Dieses Mal war insbesondere mentale Gesundheit und Resilienz Themenschwerpunkt. Den Ergebnisbericht könnt ihr unter folgendem Link nachlesen: eSport Studie 2023 – Ergebnisbericht

Quellen

[1] World Health Organization (2022). Mental Health. Abrufbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/mental-health-strengthening-our-response [19.04.2023]

[2] Zeit Online (2020). Astralis zieht Notbremse: CS:GO-Spieler klagen über Burnout. Abrufbar unter: https://www.zeit.de/news/2020-05/28/astralis-zieht-notbremse-cs-go-spieler-klagen-ueber-burnout?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F [19.04.2023]

[3] Leibniz-Institut für Resilienzforschung (o.D.). Was ist „Resilienz“. Abrufbar unter: https://www.leibniz-gemeinschaft.de/institute/leibniz-institute-alle-listen/leibniz-institut-fuer-resilienzforschung [19.04.2023]

[4] Yannic Hannebohn und Caspar von Au (2020, 16. Juni). Burnout im Esports: Astralis verändert die Szene #17 [Audio-Podcast]. In unmuted – Esports Podcas. Funk. Abrufbar unter: https://www.ardmediathek.de/video/unmuted-esports-podcast/burnout-im-esports-astralis-veraendert-die-szene-oder-17-unmuted-esports-podcast/funk/Y3JpZDovL2Z1bmsubmV0LzEyMDg3L3ZpZGVvLzE2OTUwMTAvc2VuZHVuZw [19.04.2023]

[5] British Esports (2016). Keeping fit and healthy: Exercise, sleep and dietary advice for esports players. Abrufbar unter: https://britishesports.org/news/keeping-fit-and-healthy-exercise-sleep-and-dietary-advice-for-esports-players/ [19.04.2023]

[6] esports.com (2021). Rassismus-Eklat um Esport-Profis: Spieler müssen mit Strafen rechnen. Abrufbar unter: https://www.esports.com/de/rassismus-eklat-um-esport-profis-spieler-muessen-mit-strafen-rechnen-288749 [19.04.2023]

[7] Greeley, C. (2022). Competitive Ruling: Andy Dinh. Abrufbar unter: https://lolesports.com/article/competitive-ruling-andy-dinh/bltae35536c74102b27 [19.04.2023]